Wann zahlt die Krankenkasse bei Operationen?
In Deutschland Krankenversicherte, ob gesetzlich oder privat, haben nach Artikel 27 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Gesetzgeber stellt hierfür folgenden Voraussetzungen:
- Es muss eine Krankheit vorliegen.
- Die Behandlung muss medizinisch notwendig sein.
- Die Behandlung muss geeignet sein, um eine Linderung herbeizuführen.
- Die Behandlung muss einen nachweisbaren Nutzen aufweisen.
- Die Behandlung muss ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweisen.
- Die Behandlung muss ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen als andere gleichwertige Behandlungen.
- Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Behandlung muss der Gesamtheit der Versicherten zumutbar sein.
In der Regel sind Schönheitsoperationen durch Patienten selbst zu bezahlen, da die medizinische Notwendigkeit nicht vorhanden ist.
Wie stelle ich einen Antrag auf Kostenerstattung durch die Krankasse?
Der Antrag muss grundsätzlich von dem oder der Versicherten selbst gestellt werden. Eine Übernahme der Kosten muss vor Inanspruchnahme der Leistung bei der Krankenkasse beantragt werden. Der Anspruch auf Kostenübernahme eines operativen Eingriffs erlischt, wenn die Beantragung unterbleibt. Ihr individueller Befund ist maßgebend, ob die Krankenkasse die Kosten der Behandlung übernimmt. Darüber entscheidet der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach Beauftragung durch die Krankenkasse.
Welche Fristen müssen beachtet werden?
Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wurde der Medizinische Dienst der Krankenversicherung mit der Prüfung beauftragt, beträgt die Frist fünf Wochen. Eine Kostenübernahme wird abgelehnt, wenn der Behandlungsvertrag vor Ablauf der Entscheidungsfrist der Krankenkasse zur Kostenübernahme geschlossen wird. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.
Was die Krankenkassen als Krankheit anerkennen
Nach der Ansicht des Bundessozialgerichtes besteht eine Leistungspflicht der Krankenkassen, wenn die körperliche Auffälligkeit erheblich ausgeprägt beziehungsweise entstellend wirkt. In anderen Worten muss das Merkmal „im Vorbeigehen“ „ständig viele Blicke“ auf sich ziehen und „nicht mit normaler Konfektionskleidung abzudecken“ sein. In den folgenden Fällen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Kostenbeteiligung auszugehen:
- Ausgeprägte Fettschürzen nach massivem Gewichtsverlust mit Hautentzündungen, Einschränkungen der Beweglichkeit oder der selbstständigen Körperpflege.
- Übermäßig groß gewachsene Brüste erheblichen Ausmaßes mit hartnäckigen Hautekzemen in den Brustumschlagsfalten, schmerzhaften BH-Schnürfurchen im Schulterbereich oder haltungsbedingten Wirbelsäulenschäden.
- Entstellend wirkende abstehende Ohren bei Kindern, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Hänseleien vorliegt.
- Augenlidkorrekturen bei Gesichtsfeldeinschränkungen.
Wann ist eine Behandlung medizinisch notwendig?
Eine Behandlung ist notwendig, wenn eine Krankheit vorliegt, die wirksam behandelt werden kann. Die zu behandelnde Gesundheitsstörung muss hinreichend schwerwiegend oder sogar bedrohlich sein. Ein langjähriger Leidensdruck wird durch die Berichte der Arztbesuche belegt, die zur Feststellung und Behandlung der Beschwerden stattgefunden haben. Als Nachweis hierfür dient Ihr Vorerkrankungsverzeichnis, in dem die Untersuchungsbefunde und die Behandlungsversuche Ihrer Ärzte (zum Beispiel Hautarzt, Orthopäde, Frauenarzt) der letzten Jahre dokumentiert sind.
Welche Behandlungen werden von der Krankenkasse bezahlt?
Die Krankenkasse bezahlt für eine Behandlung nur, wenn unter anderem die Wirtschaftlichkeit der Behandlung nach § 106 des SGB V durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sichergestellt wurde. Erst dann wird die ärztliche Leistung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgenommen und somit bezahlt.
Nach einer Brustkrebsoperation zum Beispiel können eingezogene und verwachsene Narben verbleiben. Die Indikation der Eigenfettunterspritzung zur Behandlung solcher Narben wird in einer Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) beschrieben. Die AWMF erarbeitet faktenbasierte und fachübergreifende Leitlinien. Dennoch wird der Brustaufbau nach einer Brustkrebsoperation mittels Eigenfettunterspritzung nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) empfohlen. Aus diesem Grund wird die Eigenfettbehandlung nicht von der Krankenkasse bezahlt (Hessisches LSG, 31.10.2014 – L 1 KR 197/14).
Die Empfehlung des G-BA erfolgte oftmals nur eingeschränkt und viele Jahre nachdem wissenschaftliche Studien über den Nutzen der Behandlungen veröffentlicht wurden. Beispiele hierfür ist die Fettabsaugung beim Lipödem, die Eigenfettbehandlung bei Verschleiß des Daumensattelgelenks und die ambulante Vakuumbehandlung von Wunden.
Kostenübernahme abgelehnt – was tun?
Wenn Sie nicht mit der Entscheidung einverstanden sind, können Sie schriftlich innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Bei einem Ablehnungsbescheid können Sie den Rechtsweg beschreiten und Klage beim Sozialgericht einreichen. Wir empfehlen, diese Schritte mit Ihrer Rechtsschutzversicherung und einem Fachanwalt für Medizinrecht gründlich abzuwägen. Im Rahmen des Verfahrens gilt es in der Regel zu klären, a) ob eine „krankheitswertige Entstellung“ im Sinne vorangegangener Urteile vorliegt (BSG, 10.02.1993 – 1 RK 14/92, 20.06.2005 – B 1 KR 28/04 B, 28.02.2008 – B 1 KR 19/07 R), ob b) die Behandlung medizinisch notwendig ist und c) ob die Behandlungsmethode vom Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) anerkannt wird.
Was bedeutet eine Ablehnung der Kostenübernahme?
Bei einer Ablehnung der Kostenübernahme der Krankenversicherung muss mit folgenden Konsequenzen gerechnet werden:
- Die Kosten der Behandlung werden nicht übernommen.
- Eine medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperation ist umsatzsteuerpflichtig.
- Kosten eventueller behandlungsbedürftiger Komplikationen, die sich aus einer Behandlung ergeben können, werden nicht übernommen (§ 52 Abs. 2 SGB V). Wir raten daher bei einer Operation zu einer Folgekostenversicherung.
- Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darf nicht ausgestellt werden.
- Rezeptierung von Arzneimitteln oder Heilmitteln darf nicht zu Lasten der Krankenversicherung erfolgen.
Was bedeutet eine Kostenübernahme der Krankenkasse?
Bitte beachten Sie, dass im Fall einer Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse, das Behandlungsziel die Linderung einer Krankheit ist. Berechtigte ästhetische Ansprüche stehen bei einer Kostenübernahme durch die Krankenkasse nicht im Vordergrund. Die Leistung Ihrer Krankenversicherung darf das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreiten (Wirtschaftlichkeitsgebot §12, SGB V). In der Regel geht eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen mit einer stationären Behandlung einher.
Wo bekomme ich ein Attest für die Kostenübernahme?
Ein Attest ist eine schriftliche gutachtliche Äußerung aus der objektiven Sicht des unabhängigen Sachverständigen. Mit der Ausstellung einer gutachtlichen Äußerung geht eine hohe Verantwortung einher. Die Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse wider besseres Wissen ist ein Verstoß gegen die Berufsordnung und eine Verletzung des Strafgesetzbuchs (StGB, § 278). Darüber hinaus ist die Ausstellung unrichtiger Bescheinigungen im höchsten Maß unethisch.
Der Antrag auf Kostenübernahme wird mit einer fachärztlichen schriftlichen Stellungnahme nach sorgfältiger Untersuchung und Fotodokumentation eingeleitet. In der Stellungnahme werden objektive medizinische Befunde erhoben, ohne Berücksichtigung der subjektiven Empfindungen des Gutachters. Auf der Grundlage seines Fachwissens und seiner Erfahrung muss die Frage nach der Notwendigkeit nachvollziehbar begründet werden. Das Gutachten muss einer Überprüfung durch den Medizinische Dienst der Krankenversicherung Stand halten. Da es bereits viele Gerichtsentscheidungen zu der Fragestellungen nach der Kostenübernahme der Krankenkasse gibt, überprüft der MDK das Gutachten nach den Maßstäben von Präzedenzfällen.
Die ausführliche Untersuchung, die Auswertung sämtlicher Vorbefunde, die umfassende medizinische Fotodokumentation und die schriftliche Äußerung mit wissenschaftlicher Begründung werden nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet. Planen Sie für eine gutachterliche Untersuchung mindestens eine Stunde ein und bringen Sie sämtliche Vorbefunde mit. Ein Privatgutachten wird nach Ziff. 85 GOÄ 6-facher Satz (€ 174,86 pro Stunde) zuzüglich Mehrwertsteuer und Schreibgebühren abgerechnet. Der Zeitaufwand für eine Gutachtenerstellung ist abhängig von der Fragestellung und beträgt mindestens 6 Stunden.
AUTOR
Dr. Stéphane Stahl
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